Ripples

January 3rd, 2022

Heta Bilaletdin – Nauhoi
Goldblum – Of Feathers And Bones

Obwohl nicht spezifisch unter den ständigen, nicht zuletzt kulturellen, Lockdowns entstanden, klingen die letzten beiden Produktionen des Jahres 2021aus dem Hause Kraak, dem belgischen Flaggschiff für Offstream-Szenen, wie die perfekte musikalische Begleitung für schüchterne Ausbruchversuche aus dem Home Office oder einsame nächtliche Tanzversuche im eigenen Wohnzimmer.

Heta Bilaletdin ist in Kreisen der belgischen und finnischen Musiksubkultur wahrlich keine Unbekannte. Zusammen mit Jonna Karanka (deren exzellentes eigenes Album Plz Tell Me in der Vinylversion ebenfalls auf Kraak erschien) und Katri Sipiläinen spielt sie mit Olimpia Splendid den eigenwilligsten und fesselndsten Post-Punk abseits der Britischen Insel. Daneben ist sie, der Kunstschule in Helsinki entsprungen, neben der Musik auch in der Film- und Kunstszene involviert. Nauhoi klingt erstaunlich homogen und dafür, dass das Album über eine lange Zeit mit unterschiedlichen Equipment und in verschiedenen finnischen Städten aufgenommen worden ist, wie aus einem Guss. Heta Bilaletdins Musik setzt sich patchworkartig aus verschiedenen Experimenten mit Musique Concrète, Home Recordings, diversem musikalischen Equipment, Dub und Gesang zusammen und klingt trotz allem wilden Forschergeist songorientiert mit einer besonderen Ader für Melodien versehen.
Die eckigen New Wavigen-Bassmelodien, der schwurblige, blubbernde, immer leicht eiernde Mix und der schräge Gesang Heta Bilaletdins auf Finnisch entfalten dann auch einen unwiderstehlichen Charme mit Suchtcharakter.

Ein hässliches, mit Pfauenmuster besticktes, Kissen, das vielleicht vom gleichen Flohmarktstand stammt, wo das Rotterdamer Duo Goldblum ihre Kassetten aus irgendwelchen Nachlässen, die dann als Ausgangsmaterial für ihre Musik dienen, bezieht, ziehrt die Hülle von Of Feathers And Bones. Marijn Verbiesen und Michiel Klein spielen auch zusammen bei Sweat Tongue, die sich vom Mythos der New Yorker No Wave – Szene nähren und Erstere legte mit Red Brut im vergangenen Jahr eine der überzeugendsten Platten zwischen Musique Concrète und unkonventionellen Montagen vor.

 

Goldblum aber ist wieder ein ganz andere Geschichte. Das zweckentfremdete Material der Kassetten mischt Michiel Klein zu verwaschenen Tapeloops, die als Grundlage das Rhythmusgerüst für die poetischen und durchwegs surrealen Melodramen der Songs bilden. Wie die abgenutzen Tonspuren der Kassetten verschwindet jegliche Eindeutigkeit und Klarheit irgendwie in einem Nebel von stoischen Beats, abwechseln süßlichem Gesang und scheingar teilnahmelosem Geschichtenerzählen, kleinen, über die Loops gemischten eingängigen Melodien oder Noiseausbrüchen, wild montierten Klangkollagen oder mantraartig wiederholten, merkwürdigen Slogans. Marjin Verbiesen und Michiel Klein definieren mit Of Feathers And Bones überraschenderweise das in die Jahre gekommene Genre der Library Music/Hauntology nochmals neu und auf erfrischende Weise.

kraak.net

 

Comments are closed.