Ripples
April 29th, 2021
Gaute Granli – Blusens Fasong
Kraus – A Golden Brain
Blake Hargreaves – Improvisations On The Pipe Organs Of Europe
Aus dem Antwerpener Speziallabor für seltsame Musik von und für Loner erreichen uns zwischen dem zweiten und dritten – oder vielleicht ist es schon der vierte – Lockdown drei neue Alben, die schwer unter dem Verdacht stehen, in den best of 2021-Charts zu landen.
Dass der Norweger Gaute Granli seine bis ins Unkenntliche dekonstruierte, aber lose in das Korsett von Songs gepresste Musik als One-Man-Band auch live präsentieren kann, hat man Ende Februar 2020 in Brüssel beim Kraak-Festival bestaunen können. In Zeitlupe, gedehnt und zerfleddert, tönt das Amalgam aus obskuren Folk-, Psychdelic- und Noiseelementen wie in einer Waschmaschine beim Kaltwaschprogramm durcheinandergewirbelt.
Schwer verdaulich, will man meinen, und doch wohnt den acht Songs ein melodischer Kern inne, der in seiner Gesamtheit in Verbindung mit dem Abstrakten eine unerklärliche Faszination ausstrahlt. Wie einst The Residents und N. Senada in der Antarktis auf der Suche nach dem ultimativen Sound der Eskimos waren, scheint Gaute Granli in Skandinavien sich irgendwo in die Prärie der USA zu imaginieren und heraus kommt etwas Seltsames, aber Großartiges.
Murmelnd, malmend, verwaschen kämpft immer wieder eine Stimme/ein Gesang in einer unbekannten (?) Sprache gegen einen trocken Rhythmus aus der Ferne, der wie Stammesgetrommel klingt, an. Eine exotische Gitarrenmelodie knüpft melancholisch zarte Bande mit einer schiebenden, ungemütlich rührenden Noisekaskade. Tja, so etwas hören wir zur Entspannung am Feierabend.
Kraus, a.k.a. Pat Kraus, spielt Synthesizer, Gitarre, Tape Loops, Sampler und Perkusion und komponiert und produziert in Neuseeland auch nicht minder bizarre Songs, die sich aus seinem eklektisch zusammengesetzten Vorliebenkatalog speisen.
Leicht verschroben klingende und oszillierende elektronische Instrumentals erinnern an die psychedlischen, folkigen Bands des finnischen Fonal-Labels und dessen Mastermind ES (Sami Sänpäkkilä). Gamelinartige Perkusion unterstreicht einen Hang zurm Orientalischen, dann wildert Kraus aber in den weitern Feldern des Psychdelic-Rock, New Wave oder Synthie-Pop und lebt seine Affinität für wilde Collagen aus. Das warme Flair der Musik, die kleinen versteckten Ohrwurmperlen, eiernde Tonbänder und abrupte Unterbrechungen; das alles lässt den Geist und die “Wonderful and Frightening World” der 1980er-Kassettentäter-Szene und Bands wie Leven Signs, Rimbarimba oder The Same aufleben.
Der bildende Künstler und Musiker Blake Hargreaves spielt in seiner Heimat Kanada in unterschiedlichen Bands – Dreamcatcher, Cousins of Reggae, Clinton Machine – alles, von Noise, Free Rock bis Grunge. Als klassisch geschulter Pianist arbeitete er aber auch schon für Ballet und Theater. Für das dann doch deutlich obskurere Projekt für Ultra Eczema suchte er in Europa verschiedene Kirchen auf und spielte auf der jeweiligen Orgel klassische Stücke und Improvisationen ein.
Obwohl das Instrument zwar grundsätzlich für eine sakrale und meditative Symbolik steht und dagegen nichts einzuwenden ist, klingt das Ergebnis Hargreaves ungleich der gerade äußerst aktiven jungen Garde an experimentellen Musikerinnen wie Kali Malone, Kara-Lis Coverdale oder Sarah Davachi, die sozusagen hauntologisch, die traditionelle Kirchenmusik mit Elektronik oder Samples brechen und intensive Ergebnisse erzielen, spröder, beinahe konservativ, ohne dass das natürlich der schönen Musik Abbruch tun muss.