Ripples Juli 2012

July 15th, 2012

Amélia Muge & Michales Loukovikas –
Periplus Deambulações Luso-Gregas

Griechenlands hochgelobte junge Filmgarde mischt gerade die Off-Kinoszene mit intellektuell-experimentellen Werken auf, die lakonisch ein zerrüttetes Weltbild zeichnen. Portugals Regisseure räumen ebenfalls Preise an internationalen Festivals ab, für Filme, die gleichsam etwas bemüht als Spiegelbild der derzeitigen Gemütslage des Landes interpretiert werden. Auf dem Gebiet des Musikalischen lernten sich die in Mosambik geborende Portugiesin Amélia Muge und der Grieche Michales Loukovikas zwar auch als Seelenverwandte, aber vor allem auf künstlerischem Gebiet, kennen und fanden zu einer raren portugiesisch-griechischen Zusammenarbeit zusammen.

Read the rest of this entry »

Ripples Juni 2012

June 28th, 2012

Opposite Sex – The Opposite Sex
Time To Go – The Southern Psychedelic Moment 1981-86

Die Neuseeländer Lucy Hunter, Fergus Taylor und Tim Player aka The Opposite Sex beteuern, die Songs auf ihrem luzid-verqueren (Pop?-)Album gleichen Namens seien ohne den Schatten der schwerlastenden Tradition entstanden. Das ist natürlich als reine Koketterie zu bewerten, haben doch schon die Protagonisten der 1980er Jahre von Flying Nun ihre Verehrung für Velvet Underground bei beinahe jedem Projekt spüren lassen. Opposite Sex’s Album klingt 25 Jahre später ähnlich nostalgisch und modern zugleich. Ihre Stücke haben einerseits die esoterisch-versponnene Schönheit von Marie & The Atom (deren Hauptprotagonistin Sarah Westwood später passenderweise eine Laufplan als Choreographin in den USA einschlug) und die andersweltliche Psychedelik von The Chills verinnerlicht, aber auch, bei der tougheren Hälfte des Albums, die VU-Gitarren von The Clean oder The Gordons. Der rohe DIY-Mülleimer-Sound wirkt dabei auch heute weit erfrischender als der glatte “Power”-Revivalbombast der angesagten Postpunkkopien. Lucy Hunters Gesangsstil darf man wohl als ungebrochene Hommage an Mo Tucker einstufen.
Da passt es gut, dass Flying Nun seinen Independent – Status zurückgewinnen konnte, als Gründer Roger Shepherd das Label von Warner zurückkaufte. Time To Go – The Southern Psychedelic Moment 1981-86 ist eine von Bruce Russell kompilierte, exzellente Zusammenstellung der wichtigsten FN = NZ – Bands der 1980er. Die  Offensichtlichen und die Obskuren decken mit den zwanzig Stücken die ganze Spannbreite des Labels ab, dass immer schon mehr als die Summe der einzelnen Teile/Gruppen/Stile war. Etwas zeitverschoben, so kann man in den Linernotes lesen, hatte auch Neuseeland seine eigene Punkexplosion. Die weiße Bevölkerung Neuseelands definierte sich bis anhin über Farmen, Bier und Rugby. Die konservative Regierung hatte neben vielen anderen Unwägbarkeiten mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit, Isolation und ihrer eigenen Verbiesterheit zu kämpfen; Nährboden für florierende Subkulturen, die Fanzines herausgaben, Bands gründete, Läden eröffneten… und  The Fall auf Platz 1 der nationalen Charts hievten.

Opposite Sex auf Occultation Records                     Flying Nun

Ripples Januar 2012

January 6th, 2012

Os Passos Em Volta – Até Morrer
Pega Monstro – EP
Osso Vaidoso – Animal
You Can’t Win, Charlie Brown- Chromatic

Im Lissaboner Vorort Odivelas gibt sich die junge Clique um das Plattenlabel Cafetra ganz unportugiesisch: man macht überschwänglichen Krach und therapiert dabei ganz nebenbei das sich im Tiefschlaf befindene Genre “Song” mit einer unverhofften Frischzellenkur. Os Passos Em Volta veröffentlichten gerade ihr Debutalbum Até Morrer. Vom weiblichen Part des Quintetts, Maria und Júlia aka Pega Monstro, erscheint eine EP. Dann gilt es noch die weiteren Seitenprojekte der Passos De Volta, das sind momentan 100 leio, Go Suck A Fuck und Éme und die Labelkollegen Kimo Ameba (ein Album) zu erwähnen. Das Rad hat wohl schon jemand erfunden, aber dem globalisierten Einheitsbrei namens Pop setzen die Passos und Co. eine Portion dickköpfischen Lokalkolorit entgegen.

Read the rest of this entry »

Best of 2011

December 31st, 2011

Music

  James Blackshaw & Nancy Elizabeth
live im Teatro Maria Matos, Lisboa
Carlos Paredes – Guitarra Portuguesa & Movimento Perpétuo
Ein wahrer Meister seines Fachs erfährt postum die ihm gebührende internationale Anerkennung durch die Drag City – Wiederveröffentlichungen seiner Frühwerke
Dirty Beaches – Badlands
Lynch, Elvis, Alan Vega, Mishima vereinen sich zur One-Man (Stricher) -Band
Anika
Teutonische Sixties-Ikone wird vom On U-Sound System begleitet? Alles nur Posing beim Saint Ghetto Festival in Bern
  Charalambides – Exile
Frostige und dronige Mondanbetung
Still Corners – Creatures Of An Hour
Geisterhafte Hommage vom Duo Greg Hughes und Tessa Murray? Trish Keenan: R.I.P.
  Eleanor Friedberger – Last Summer
So hätten die Siebziger, mit etwas Glück, auch klingen können
  Lou Reed & Metallica – Lulu
Der Grantlmeister und die Kirmes-Metaller: Metal Machine Music from hell
  The Wild Swans – The Coldest Winter For A Hundred Years
Doch noch die Liverpool-Platte…
Ela Orleans – Neo PI-R (Cassette)
Wire
Felix Kubin
Dome – 1-4
Disco Inferno – The 5 EPs
(Retro-) Futurismus beim Klangbad-Fesival und essentielle Wiederveröffentlichungen essentieller Musik auf Mego und Rocket Girl

Books

Jon Ronson – The Psychopath Test
Dulce Maria Cardoso – O Retorno
Helen Walsh – Go To Sleep
Louise Welsh – Naming The Bones

Ripples Dezember 2011

December 28th, 2011

Mansfield TYA – Nyx

Eine gesunde Widerspenstigkeit  gegenüber dem globalisierten Big Mac- Sound ist dem Duo aus Nantes auch auf ihrem dritten Album eine Selbstversändlichkeit. Mansfield TYA lassen sich dem losen Verbund der nordfranzösisch-belgischen Mikroszenen zurechnen, dessen verschiedene Zirkel sich in letzter Zeit für solch delikate Perlen wie Tazio & Boy, Half Asleep oder V.O. verantwortlich zeichneten. June, das Debut von Mansfield TYA von 2005, überraschte mit einer juvenilen Atmosphäre zwischen Unbekümmertheit und Melancholie, das Nachfolgealbum Seules Au Bout De 23 Secondes geriet dagegen eher unentschlossen und zwiespältig; Nyx ist nun ein echtes Juwel. Der minimalistische Ansatz – Carla Pallone und Julia Lanoë singen und spielen Violine, Piano, Keyboards und Perkussion – wirkt ungemein dicht, ohne die ihnen eigene coole Lässigkeit aufzugeben. Subtile folkloristische Einflüsse, experimentellere Arrangements als bisher, vor allem aber der grandios am richtigen Ton vorbeihangelnde Chorgesang erinnert an Odyshape, dem Meisterwerk der Raincoats; die Instrumentalstücke wiederum könnten sich mit den besten Filmscores der Tindersticks messen. Der Platz im Niemannsland zwischen Pop, Punk und Avantgarde scheint genau der richtige zu sein und allemal dem der Kleinkunstbühne vorzuziehen.
mansfieldtya.com