Ripples Juli 2013

July 22nd, 2013

These New Puritans – Field Of Reeds
Diese Wandlungsfähigkeit hätte man einer Band names These New Puritans – die sich frei nach einem alten Mark E. Smith – Song taufte – eher nicht zugetraut. Allerdings, schon beim Debut – Beat Pyramid, 2008 – war schnell klar, dass TNP nicht einfach noch eine jener Bands waren, die ihr Seelenheil im Plündern von Post-Punk-Referenzen suchten: Numerologie als theoretischer Überbau, die Musik fragmentarisch, abstrahierend, gebrochen. Sie schafften es, die Subkulturmusiken der Großstädte mit Avantgarde in Einklang zu bringen bzw. gleich wieder in Frage zu stellen. Hidden von 2010 ließ dann gekonnt Stilmittel der klassischen Musik mit den Rhythmen und der Düsterniss von Dub Step, Minimal Techno und Dancehall aufeinanderprallen. Ständiges Säbelrasseln und spröde Krachgitarren.


Field Of Reeds ist dann schon wieder eine ganz andere Geschichte; obwohl, Mastermind Jack Barnett komponierte in den letzten Jahren weiter fleißig und schrieb Partituren. Die Keyboarderin Sophie Sleigh-Johnson hat die Band (vorüberghehend?) verlassen und mit der portugiesischen Sängerin Elisa Rodrigues, die eigentlich vom Jazz kommt, aber hier, meist im Duett mit Barnett, etwas ganz anderes versucht, driftet die Band wieder in bislang unbekannte Gefielde ab. Die schroffen Rhythmen sind gänzlich verschwunden und die Melodien, meist von Streichern gespielt/getragen, stehen im Vordergrund. Als Produzent konnte Graham Sutton gewonnen werden, dessen schon einige Zeit zurückliegende Alben mit Bark Psychosis, eine logische Seelenverwandtschaft mit Field Of Reeds aufweisen. Barnett äußerte in einem Interview mit der portugiesischen Tageszeitung Público, dass er sich schon immer für andere Länder und Sprachen begeistern konnte und ihn die portugiesische, ohne sie zu verstehen, besonders anspräche. So sieht er die Interpretationen von Elisa Rodrigues auch im weitesten Sinne, d.h. ohne die charakteristischen Stilmittel zu kopieren, mit der luziden Entrückheit des Fados im Einklang.
These New Puritans, obwohl noch sehr jung, stehen nach drei Alben schon in der widerspenstigen, britischen Tradition von “lachenden Außenseitern” wie John Greaves, Gordon Sharp und Graham Sutton, was beileibe nicht die schlechteste Gesellschaft ist.

These New Puritans

Ripples Juni 2013

June 12th, 2013

Ela Orleans – Tumult In Clouds
Dirty Beaches – Drifters / Love Is The Devil
Mike Cooper – White Shadows In The South Seas

Max Ernst, Alestair Crowley, James Fenton, Emily Dickinson, W.B. Yeats, Thomas Hardy, Lord Byron und… Françoise Hardy; dies sind die graphischen, textlichen und tondokumentarischen Quellen auf Tumult In Clouds, einem Doppel-Album, welches, die kürzlich von einem längeren – und ernüchternden – New York-Aufenthalt wieder in die lebendige Mikroszenerie Glasgows zurückgekehte, Ela Orleans in gewohnt eklektischer Manier präsentiert. Als routinierter Armchair-Traveller lässt man sich erneut von den melancholischen, aus der Zeit gefallenen elegischen Ballsaal-Schlagern, den verschrobenen, vermeintlichen Sixties – Hymnen und den instrumentalen, mäandernden, zwischenweltlichen Collagen in den Bann ziehen und mit auf die Reise zu einem unbekannten Ziel nehmen. Zwischen den experimentellen Klangfahrten von High Moon Low Sun und dem songorientierten Album Mars Is Heaven einzusortieren, verfeinert Ela Orleans ihre so unverkennbare, wie vergleichslose Musik auf Tumult In Clouds noch weiter.


Alex Zhang Hungtai zieht als Dirty Beaches seit Jahren ruhelos um den Globus, um seine bis zum Äußersten reduzierten One-Man-Shows in szenigen Kellern in irgendwelchen Rotlichtbezirken zu später Stunde aufzuführen. Drifters/Love Is The Devil ist insofern als Dokument speziell, als dass sich die Reflexionen über das Leben auf Achse, die mit dem bewährten Mix aus heruntergefahrenem Rocka billy und unterkühlt-einsamen Post-Ghost Rider – Nummern beginnen sich bis zum Ende des Doppel-Albums stetig in nebliger werdende, depressive Soundskulptur-Landschaften entwickeln.


Mike Cooper ist im Vergleich zu Ela Orleans und Alex Zhang Hungtai ein alter Meister im Heraufbeschwören von exotischen musikalischen Stimmungsbildern. Der seit Jahren in Italien lebende Brite ist sowohl ein erfahrener Studiotechniker, was sich in zahlreichen Arbeiten für das Radio manifestierte, als auch ein begnadeter Slide-Gitarrist, der, vom Blues und Folk kommend, seine Interessen immer mehr ins experimentelle Feld der Ambientmusic verlegt hat. Nach Rayon Hula ist auch White Shadows In The South Seas wiederum ein faszinierendes Zeugnis von Mike Coopers Affinität für die hawaianische Kultur. Subtil und dicht zugleich mischt er Naturaufnahmen – exotische Vögel als die Hauptproganisten singen gegen die Gitarre an -, traditionelle Melodien, improvisierte Experimente und Dubtechniken zu dreiminütigen Loops, die sowohl einen intellektuellen Eskapismus evozieren wie einen romantischen Hauch von Entdeckergeist zu vermitteln scheinen.
clandestinerecords
zoomusic
room40.org

Ripples Mai 2013

May 16th, 2013

Krèms Brûlée – Ein Abend beim Donau-Festival
Mark Stewart, Manorexia, Matin Rev, Zoviet France, Girls Against Boys, David Yow

Die inzwischen auch schon neunte Ausgabe des Donau Festivals in Krems, dessen Programm jeweils über zwei verlängerte Wochenenden angelegt ist, stand heuer unter dem, zugegeben, etwas verhaltensoriginellen Motto Krèms Brûlée. Der Anspruch und das Versprechen, innovative Kunstformen zwischen anerkannter Avantgarde und Subkultur in unterschiedlichen Kontexten zu präsentieren und Bühne für sowohl querdenkende Frischlinge wie verdiente Underground-Haudegen zu bieten, wurde 2013 allerdings mehr denn je eingehalten. Auch der “time table” war aufgrund der im Vergleich zu den vergangenen Jahren beinahe verdoppelte Anzahl eingeladener Künstler sehr eng gehalten. Einer der Schwerpunkte, performative Kunstformen jenseits des Theaters, die im Kontext zu bildender Kunst und Aktionismus agieren, wurde an den diversen Spielorten z.B. von Hans Peter Litscher, Saint Genet, Miasma oder Teresa Margolles (bleibend in Erinnerung ist mir ihre MMK-Austellung in Frankfurt, in der u.a angeblich von Leichenwaschungen gewonnenes Wasser durch den Raum dampfte. Hier variierte sie ihr Thema mittels einer Performance. Vier Nachkommen der Maya sprachen über ihre Gewalterfahrungen und bestickten ein Tuch, das zuvor Flüssigkeiten eines ermordeten Drogenkriegopfers absorbiert hatte).

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Ripples April 2013

April 29th, 2013

Veronica Falls – @ Noumatrouff Mulhouse
Haiku Salut – Tricolore
Strange Idols – Idolatry
Bona Dish – The Zaragoza Tapes
The Pastels – Slow Summits
Cherry Red veröffentlicht diese Tage eine opulente 5 CD-Box – Scared To Get Happy, A Story Of Indie Pop 1980 – 89 -, die sich der exklusiv britischen, vom Glasgower Postcard Records und Alan Horne einige Jahre zuvor kreierten, mit Theorie und Romantik aufgeladenen Facette des Post-Punks widmet. Der allgegenwärtigen Trostlosigkeit jener Zeit setzte man den Sound Of Young Scotland bzw. dann Young Britain entgegen: die Annäherung an den idealen Popsong, gespielt mit der Energie des Punks.
Dem Londoner Quartett Veronica Falls, das angesichts der Livepräsentation des zweiten Albums Something To Happen auch im Mulhouser Noumatrouff konzertierte, darf nicht unterstellt werden, dem Genre Artpop revolutionär Neues hinzufügen zu wollen.

 

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Ripples März 2013

March 16th, 2013

Charles Vaughan – Haunted Woodland Volume Three
Jon Brooks – Shapwick
Wayside & Woodland, ein Label aus Staffordshire, das von dort ansässigen Künstlern betrieben wird, operiert mit CD-R’s und Schallplatten in Auflagen, die sich an einer Hand abzählen lassen. Die musikalischen Interessen von epic 45, E.I., Heath, My Autumn Empire, The Toy Library, P Manasich und Charles Vaughan kann man ungeniert den Genres Post-Rock, Avant-Folk, Field Recordings und Ambient zurechnen. Wer sich hinter dem Künstlernamen Charles Vaughan verbirgt, weiß man nicht nicht wirklich, sein Album ist aber das inzwischen dritte der Haunted Woodland-Serie des Labels und herausragend.

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