Ripples May 2017

May 1st, 2017

Eloïse Decazes & Eric Chenaux – La Bride


Die Pariserin Eloïse Decazes und der Kanadier Eric Chenaux – beides kreativ äußerst umtriebige Zeitgenossen – hattten mit ihrem brillianten Debut als Duo die Ehre den Startschuss für Philippe Delvosalles Okraïna – Label zu geben. Nun erscheint der Nachfolger auf dem gleichsam empfehlenswerten Lausanner Label Three : Four Records. Decazes und Chenaux; das ist ein eingenwilliges Duo: Die Lieder/Chansons, die ihnen als Rohmaterial für Experimente und Entfremdungen dienen, haben ihren Ursprung teilweise im Mittelalter – einige zeitgenössische Quellen wie Areski sind die Ausnahme – und werden entkernt und zu etwas Zeitlosem metamorphisiert: Eine halluzinierende Musik, die letztendlich zu gebrochen und abstrakt ist, um noch in das Genre Folk oder Songwritertum zu passen. Chenaux, eng mit dem zwischen Konvention und Experiment schwankenden Constellation-Label verbunden, geht hier andere Wege und entfernt sich weitgehend von der Rolle des “klassischen” Gitarristen. Decazes gibt sich vergleichsweise zahm mit ihrem Projekt Arlt (mit Sing Sing), aber zeigt außer mit Chenaux vor allem auch in Verbindung mit Delphine Dora aus welchem Holz sie geschnitzt ist, Die Interpretationen von Berios Folksyklus suchen bezüglich Abenteuerlust und Subtiliät ihresgleichen.
La Bride greift die Tradition von experimentellen französischen Chansoniers / Chanteusen, die in den Siebzigern mit Brigitte Fontaine/Areski oder Laurence Vanay begann und in den Achzigern von, u.a. Jac Berrocal (Hotel Hotel), Sophie Jausserand/Guigou Chenevier (A L’Abri des Micro-Climats)oder Hélène Sage weitergeführt wurde, auf und begeht doch wieder andere Wege. Die Gitarre eiert psychedelisch-brüchig, irgendwelche Überbleibsel von Blues- oder Folksongs werden zu Partikeln zerlegt und dann wieder zu Drones zusammengeleimt. Eloïse Decazes interpretiert und rezitiert ihre Geschichten von heute und aus einer anderen Zeit in einer Weise, die an eine etwas unheimliche, moderne Moritatensängerin denken lässt. Sanfheit wird zu Abstraktheit, Sophistication wechselt zum Nicht-Fassbaren und teilweise bedarf er überhaupt keiner musikalischen Unterstützung mehr, weder Leierkasten noch Saiteninstrument.
Three:Four Records

Okraïna Review

Ripples April 2017

April 3rd, 2017

Kraak Festival Bruxelles 2017

 

Kraak: Den belgischen Spezialisten für alles, was kulturell “offstream” anzusiedeln ist, gelingt seit Jahren das eigentlich schwer vorstellbare Jonglieren mit unterschiedlichen musikalischen Avantgardedisziplinen und Mikroszenen. Mit der seltsam-schönen Musik von z.B.  Calhau!, Sea Urchin oder Typhonian Highlife war 2016 wieder ein außergewöhnliches Labeljahr gewesen. Und 2017 verspricht ähnlich aufregend zu werden. Die Zeitschrift The Avant Guardian kann sich mit seinen Themenschwerpunkten und exklusiven, anderswo nicht zu findenden Interviews mehr als sehen lassen und das außergewöhnliche Konzertprogramm, für das sich Kraak in verschiedenen belgischen Städten verantwortlich zeichnet, sucht seinesgleichen.
Höhepunkt der konzertanen Aktivitäten ist ohne Zweifel das jährliche Festival, das nun seinen Platz im Beursschouburg, dem Theater an der Börse, inmitten in der ansonsten immer noch erstaunlich untrendigen, verwitterten Innenstadt, in der trotz erhöhten Sicherheitsbedingungen mit Straßensperren und massiver Militärpräsenz, sich abends alle Schichten und Szenen zum Ausgehen treffen.
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Best of 2016

January 5th, 2017

Film/TV


  Ezra Edelman – O.J.: Made in America


 


Sion Sono – The Whispering Star


 

Phoebe Waller-Bridge – Fleabag


 


Rachel Lang
– Baden Baden


 

Charlie Brooker – Black Mirror S.3


 

Andrea Arnold – American Honey


 

Josh Kriegman, Elyse Steinberg – Weiner


 

Armando Iannucci. – Veep S.5


 

Maren Ade – Toni Erdmann


 

JAthina Rachel Tsangari – Chevalier


 

Chan-Wook Park – The Handmaiden


 

Olivier Assayas – Personal Shopper


 

Kleber Mendonça Filho – Aquarius


 

Donald Glover – Atlanta


 

Taika Waititi – Hunt for the Wilderpeople


 

Sam Esmail – Mr. Robot S.2


 

Arthur Cary – Louis Theroux: Savile


 

Pedro Aguilera – 3%


 

Susanne Bier – The Night Manager


 

Music

Still House Plants – Still House Plants


 

Anohni – Hopelessness


 

Carla Dal Forno – You Know What It’s


 

John Cunningham – Fell


 

RIP Leonard Cohen – You want it darker


 

Deux Filles – Space & Time


 

Calhau – ú


 

Anna Meredith – Varmints


 

RIP Παντελής Παντελίδης – Θυμάμαι


 

Bing Selfish & The Multiverts – In The Morning We Glow…


 

Pye Corner Audio – Stasis


 

Rihanna – Anti


 

St. Vincent – St. Vincent


 

RIP Prince Buster – Ska, 2tone, rocksteady legend


 

Iggy Pop – Post Pop Depression


 

Glass Animals – Zaba


 

Books

Simon Reynolds – Shock & Awe


 

Kate Tempest – The Bricks That Built The Houses


 

Alan Glynn – Paradime


 

Alfred Bester – The Stars My Destination


 

Al. De Giulli, C. M. Naddeo: Ποιος είναι ο Α.Μ.;


 

Clarice Lispector – Der Große Augenblick


 

Tacitus – Germanicus


 

Hiroshi Yamamoto – The Stories of Ibis


 

 

 

Ripples Januar 2017

January 2nd, 2017

Joana Guerra, Julia Kent – Ao Vivo Igreja de St. George
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Der Mond der Erde so nah wie seit 1948 nicht mehr und ein sternenklarer nächtlicher Himmel über Lissabon; der Tejo schimmert dunkel und ist ungewöhnlich still, von der Wasseroberfläche steigt leichter Dunst auf. Kann es da noch eine atmosphärische Steigerung geben? Na ja, zum Beispiel, wenn man sich auf dem Weg zur Igreja dos Ingleses beim Parque da Estrela über den Friedhof vortastet und vereinzelten dunklen Gestalten begegnet, die die gleiche Idee zu haben scheinen; nämlich an diesem Novemberbend einem Doppelkonzert der beiden Violoncellistinnen Julia Kent und Joana Guerra beizuwohnen. Read the rest of this entry »

Ripples Dezember 2016

December 15th, 2016

Teresa Villaverde – Eine Retrospektive

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In der portugiesischen Hauptstadt löst mittlerweile eines das andere hochkarätige Filmfestival ab: Neben kleineren, die sich auf Subgenres spezialisiert haben und dem ganzjährigen, dem Mainstream fernen, exquisiten Programm der Cinemateca Portuguesa, ziehen die seit einiger Zeit jährlich stattfindenden Indie Lisboa, Doc Lisboa und das Lisbon & Estoril Film Festival (LEFFEST) zunehmend auch eine internationale Kritikerriege an den Tejo.
Während die Gentrifikation in Siebenmeilenstiefeln voranschreitet und auf ekelhafteste Weise die Altstadtviertel zu einer Art lusitanischem Disneyland umgekrempelt, weiß die Kultur noch nicht so recht, wie reagieren. Das LEFFEST 2016, das sein Zentrum weniger in Estroil als in den beiden übriggebliebenen Programmkinos Monumental und Nimas installiert hat – und somit im eigentlichen kulturellen Mittelpunkt der Stadt abseits der Touristentrampelpfade – setzte sich bei der Programmzusammenstellung auch der Kritik aus. Zu konzeptlos und gedrängt meinen manche, sei das Programm: neben den Wettbewerbsfilmen (meist portugiesiche Vorpremieren, von American Honey über Elle und Dogs bis zu Bertrand Bonellos umstrittenem Nocturama und Jarmuschs Gimme Danger) waren Retrospektiven von Godard, Kusturica, Bonitzer und Teresa Villaverde; daneben auch eine Auswahl von Filmen Jerzy Skolimowski und andere Minireihen, zu sehen gewesen. Read the rest of this entry »