Bruxelles Soundscapes 9

February 1st, 2009

Hermine – Hidden Treasures

Hermine war vielleicht die typischte Künstlerin von Crammed Discs (obwohl sie dort nur ein Minialbum veröffentlichte). Mit dickem Akzent und immer konsequent jede konventionelle Auffassung von Harmonie missachtend, aber vor allem mit dem unschlagbaren Talent ausgestattet, die Spannbreite zwischen D.I.Y. – Professionalität und Diletantismus vage erscheinen zu lassen und zur Kunst zu stilisieren, beeinflusste sie eine ganze Reihe von Underground-Popsängerinnen (man denke nur an Amos & Sarah, The Honeymoonkillers oder The Lo Yo Yo).

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Aufgewachsen in der Nähe von Paris, landete Hermine Demoriane in den frühen 1970ern in London und blieb. Sie kam in Kontakt mit Performancekünstlern (wie die Prä – Throbbing Gristle – Truppe COUM und Welfare State), schrieb außerdem Theaterstücke und widmete sich dem Seiltanzen! ‘The Tightrope Walker’, eine ebenfalls eigenwillige Mischung aus Tagebuch, Historie und Fotos dokumentiert die letztere Passion. Die Idee, die Serpentine im Hydepark auf einem auf der Wasseroberfläche gespannten Seil zu überqueren, also die Imagination auf dem Wasser laufen zu können, zu inszenieren, entwickelte sich zu einem kafkaesken Ämterkrieg und scheiterte schließlich. In Derek Jarmans ‘Jubilee’ sieht man sie später als punkiges Motorradmädchen auf dem Seil spazieren.

Der musikalische Output beschränkte sich auf einige Singles, einem Mini- und einem ganzen Album. Live hat man sie in den 1980ern bei einigen raren Auftritten in London und auf dem Kontinent erleben können. Die nervös – aufgedrehte Hermine, auf Stöckelschuhen und im Krankenschwesterdress, sich durch ihr Repertoire von sophistikaten Torchsongs singend zu erleben, hinterließ einen bleibenden Eindruck. Und die Rolle, die sie spielte, eine Figur, die gleichzeitig den Zwanzigern Berlins oder Paris’, dem Punk und dem Camp entsprungen schien, hat man danach kaum noch so verquer und ironisch gebrochen erleben dürfen.

Die Musik hat wie bei manch anderen sparsam und trocken produzierten Platten aus dieser Zeit nichts von ihrem Charme eingebüßt. Das ikonische Cover von ‘The World On My Plates’Hermine bestückt die Spülmaschine mit 7′ – Singles – und die von Ian Kane arrangierten Kompositionen, Versionen von Klassikern und eigenen Stücken sind in ihrer Kombination genial. ‘Loneley At The Top’, erweitert die gleiche Idee, Interpreationen von Yoko Ono, Vin Bruce, Neil Sedaka, um mit gleichem Charisma die Grenze zum Experimentellen überschreitende Eigenkompositionen von den Musikern aus dem Umfeld von Officer. Die Wiederauflage der lange Zeit vergriffen gewesenen Platten auf LTM bietet als Zugabe die Singles und einige Liveaufnahmen.

In den letzten Jahren, so kann man dem kundigen Text James Nices’ entnehmen, sah man Hermine Demoriane des Öfteren in den britischen Sitcoms French & Saunders und Absolutely Fabulous exzentrische Popdiven parodieren. Zudem veröffentlichte sie im Herbst 2008 auf ihrem eigenen Label Salome Disc eine Platte mit Aufnahmen, die in den 1990ern in London und Basel entstanden sind: ‘Who’ll Come Walking?’

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