O Futuro Da Saudade 5

August 10th, 2010

Lula Pena – Troubadour

Auch die junge Generation versucht sich in Portugal seit einigen Jahren wieder an der ureigensten Volksmusik des Landes, dem Fado, nachdem man zwischenzeitlich aus unterschiedlichen, politischen und kulturellen, Gründen ein zwiespältiges Verhältnis pflegte. Brilliante Interpreten und herausragende Musiker sind sie alle, doch halten sie sich streng an die traditionelle, vorgegebene Form. Erneuerung und Innovation kann man am ehesten noch bei den Texten erwarten, da es en vogue ist, mit zeitgenössischen Literaten zusammenzuarbeiten . Aus der experimentellen Musik oder vom Independent-Pop herkommend gab es allerdings auch immer wieder überzeugende Projekte Fado in einen anderen musikalischen Kontext zu stellen. Neben Anamar und Anabela Duarte machte sich vor allem Lula Pena darum verdient .

Mit ihrem Album von 1998 Phados (Carbon 7) erwarb sie sich, nicht nur durch die Qualität, auch aufgrund der Zeitspanne, in der man auf einen Nachfolger wartete, einen beinahe mythischen Ruf; die Platte wurde aber zu recht zu einem Geheimtip in unterschiedlichsten Kreisen.

Aufgewachsen ohne Fernsehen, war das rund um die Uhr laufende Radio des Vaters mit seinen traditionellen Musikprogrammen prägend; den Zugang zur aktiven Musik bekam sie duch ihren gitarrespielenden Bruder und eine engagierte Lehrerin in der Schule. Sie studierte dann aber zuerst Zeichnen und Kunst in Barcelona, verfolgte diesen Weg nach Kontakten mit der Galeriewelt allerdings nicht weiter. Sie spielte Musik in den Straßen und, nachdem sie nach Brüssel zog, in Bars und Jazzclubs. Die Veröffentlichung von Phados resultierte aus diesen Erfahrungen. Das eklektische Carbon 7 – Label ehemaliger Univers Zero- und Present -Musiker veröffentlichte das Album in Belgien, erst Jahre später sollte es in Portugal erhältich sein. Phados deutete schon im Titel an, dass man hier keinesfalls mit konventionellen Fados zu rechnen hatte. Nachdem die Folkore während der Diktatur als verkitschtes Bild im Ausland vom armen, aber zufriedenen Volk missbraucht wurde, kann man als bewusster Mensch diese Musik, die einem zwar nahe steht, nur noch in gebrochener Form präsentieren. Lula Pena reduzierte einen Fado-Kanon bis auf das musikalische Skelett, improvisierte mit den verschiedenen Elementen, präzise und kühl wie das Kaligraphieren beim Zeichnen, und schaffte es doch die dunkle, emotionale Seele der Musik zu bewahren. Auch Versionen von Tropicália – Stücken und azorianischen Volksweisen fanden sich auf Phados.
Mit ihrem dunklen Timbre, ihrem mit niemandem zu vergleichenden Stil Gitarre zu spielen und ihrer androgynen Ausstrahlung faszinierte Lula Pena auch ein Publikum, dass ansonsten nicht an Folklore interessiert ist.

Seit ihrer Rückkehr nach Lissabon um die Jahrtausendwende hörte man von Lula Pena nicht mehr allzuviel: Vereinzelte Auftritte in Portugal und beim Atlantic Waves – Festival in London, außerdem tauchte sie in einer kleinen Nebenrolle in Agua & Sal, einem Film von Teresa Villaverde – neben Pedro Costa die vielversprechendste aktive Filmemacherin des Landes – auf.

‘Das Label ist das Monster’, ihr Motto, galt dann offensichtlich nicht bei Mbari, einer unabhängigen von Musikern betriebenen Firma, der man zwölf Jahre nach dem Debut den Nachfolger zu verdanken hat.
Troubadour ist, so Lula Pena in einem Interview, obwohl sie die Jahre über ständig komponiert und improvisiert habe, eine Platte mit aktueller Musik. Das Album knüpft trotz der langen Veröffentlichungspause direkt an Phados an. Die sieben Stücke sind infsofern noch abstrakter, da sie titellos -Acto 1 – 7 – durchnummeriert sind. Lula Pena lässt in ihre eigenen Kompositionen Fragmente von traditionellen portugiesischen, brasilianischen oder  kapverdischen Liedern – wieder in dieser gebrochenen Form, die man vom Debut kennt – einfließen. Roh in ihrer kargen und melancholischen Reduziertheit, aber organisch als Ganzes, schöpft ihre Musik, wie sie sagt, aus Momenten, Erinnerungen und Erfahrungen, die teilweise weit zurückreichen. “Es ist eine Art Spiel. Es interessiert mich, was das Gedächnis mit diesen Fragmenten macht, im Sinne, dass jede Renkonstruktion von Erinnerungen eine Fiktion, eine persönliche Erzählung ist. Aber es ist auch eine Form der Kommunikation, denn es gibt darin natürlich Bruchstücke, die bei den Zuhörern gleichfalls etwas auslösen oder die sie teilen können.”
Das Stilmittel der Auslassung, immer wieder auch bis zur vollkommenen Stille, ist ebenfalls beinahe zu einem Markenzeichen geworden. Bei Konzerten kann sich das auf das Publikum übertragen, was eine religiös- meditative Qualität haben kann.
Troubadour, Lula Pena – Voice and Guitar.

Comments are closed.